Donnerstag, 11. Februar 2010

Maßhemden aus Deutschland




Da in letzter Zeit vermehrt „Maßhemdenmacher“ im Internet für Ihre Hemden werben möchte ich einmal für deutsche Manufakturen werben, welche auch „auf Maß“ fertigen. Dabei bedeutet Maßhemd (oder auch Maßanzug) in Deutschland meistens Maßkonfektion, also ein vorhandenes Schnittmuster wird auf die Maße des Kunden abgeändert, so dass es optimal passt (eng.MTM). Ein echtes Maßhemd wäre eines, bei dem das Schnittmuster nur anhand der Kundenmaße erstellt wird, also auf einem weißen Blatt (eng. bespoke).

Meine ersten Erfahrungen mit Maßhemden habe ich mit der Firma Rieder in Herxheim gemacht. In einem kleinen Pfälzer Städtchen gelegen, kann man den Besuch dort problemlos mit einem Ausflug in die landschaftlich reizvolle Umgebung verknüpfen.
Die Firma ist ein kleiner Betrieb, der neben den Hemden in Maßkonfektion auch Hemden von der Stange und Maßanzüge anbietet. Die Maßanzüge habe ich bisher leider nie probiert, vielleicht werde ich noch einmal dazu kommen, da insbesondere die Auswahl an Tweedstoffen dort besser war als z.B. bei Kuhn, wo ich im Augenblick fertigen lasse. Da im Betrieb auch echte Schneider und nicht nur Verkaufspersonal arbeiten, ist das Maßnehmen auch für Anzüge wahrscheinlich gar nicht schlecht.

Mein erster Kontakt, damals mit der Chefin persönlich war sehr angenehm, nach einer kurzen Betriebsführung (man muss an den Näherinnen vorbei, wenn man zu den Stoffen will) konnte ich mir meinen Stoff aussuchen. Das fand ich sehr informativ, dadurch war ich sicher, dass mein Hemd hier in der Firma gefertigt, was mir auch bestätigt wurde. Theoretisch könnte ich beim Nähen meines Hemdes zusehen.
Die Stoffauswahl vor Ort ist nicht riesig, aber ausreichend, verschiedenste Stoffqualitäten in weiß und blau, sowie einige beliebte Farben sind direkt in großen Rollen vor Ort, Stoffe von Thomas Mahon und anderen nahmenhaften Herstellern können bestellt werden, die Musterbücher zum durchblättern liegen aus, und der Espresso, den ich dabei getrunken habe war übrigens auch sehr gut. Ich habe mich für mein „Musterhemd“ für einen uni hellblauen Baumwollstoff in nicht bügelleicht entschieden. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man den Stoff befühlen kann, die Optik in natürlichem Licht sehen kann. Dies sind alles Freuden, die bei einer Bestellung per Internet verloren gehen.

Vermessen wurde ich dann direkt zwischen Näherinnen und Zuschneidetisch vom Vater der Chefin. Mit ein paar hinweisen auf Passformwünsche (körpernah, nicht zu eng, Länge, kleine Armlöcher, Kragen 42 nicht 41 wie gemessen) war dieses Maßnehmen eine Kurzweilige und auch informative Zeit.
Daraufhin wurde der Stil festgelegt, jetzt wieder mit der Chefin, aus einer Reihe von Kragenformen und den üblichen Varianten an Manschetten, Taschen etc. wurde mein Hemdenstil festgelegt.

Nach guten vier Wochen war mein Hemd fertig. Beim ersten anprobieren vor Ort saß das Hemd dann auch sehr sauber, die Ärmel waren etwas zu kurz und die Nackenfalte stand auf, wie immer bei mir. Aber diese Probleme sollten mit ein paar Änderungen zu beheben sein. Nach weiteren zwei Wochen bekam ich dann ein Hemd, welches sehr ordentlich sitzt, sich wunderbar trägt, und welches mir auch nach bald vier Jahren noch immer gute Dienste leistet.
Der ganze Spaß kostet im Augenblick ab 89.-€, plus die Zeit zum Aussuchen und Anprobieren.
Im Folgenden habe ich weitere Hemden bestellt, welche alle sehr schön geworden sind, bis auf die Kleinigkeit mit der Nackenfalte. Diese findet sich bei mir immer wieder, da meine Schultern zwar breit und hoch sind, aber auch nach vorne „kippen“ und bisher hat noch kein MTM Hersteller, ob Hemd oder Anzug, dieses Problem richtig in den Griff bekommen.
Trotzdem bin ich sehr zufrieden mit meinen Rieder Hemden, die Verarbeitungsqualität ist auf sehr hohem Niveau, die verwendeten Stoffe sowieso und die ganze Atmosphäre bei Rieder sehr angenehm. Einzig wenn man unbedingt typische Englische Details haben will, wie Kragenstäbchen, abnehmbaren Kragen oder auch Smokinghemden, so können sie diese noch nicht erfüllen.

Perfekte Passform, gute Qualität, handwerklich gut verarbeitet, in Deutschland gefertigt und billiger als manch ein Designerhemd von der Stange – wer kauft da noch im Internet?

Nächste Woche: Hemden Humbert in Lustadt

1 Kommentar:

  1. Bis zum letzten Satz ("...Einzig wenn man unbedingt typische Englische Details haben will, wie Kragenstäbchen(...)) war ich schwer begeistert, aber dann das...Kragenstäbchen als englisches Detail?? Selbst alle meine RTW-Hemden haben Kragenstäbchen, das ist doch wahrlich kein Luxus (wenn man MTM als nächste Evolutionsstufe sieht)...oder sprechen wir hier von Perlmutt- oder ähnlich hochwertigen Kragenstäbchen?

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